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Beim Zahnarzt

ARBEITSRECHT FÜR ZAHNÄRZTE

Unsere Arbeit ist mehr als nur eine Tätigkeit: Sie gibt uns eine professionelle Aufgabe und inspiriert und erfüllt uns, bietet Sicherheit und Zufriedenheit — im besten Fall. Drohen Unstimmigkeiten oder Eskalation, beraten und begleiten wir Sie, damit Sie Ihre Selbstzufriedenheit am und durch den Arbeitsplatz wiedergewinnen.

Zur Schwangerschaft- und Stillzeitproblematik

Im Bereich des zahnärztlichen Arbeitsrechts vertritt Herr Dr. Heintz Zahnarztpraxen (Arbeitgeber) als auch angestellte Zahnärztinnen (Arbeitnehmerinnen) bundesweit vor allen Arbeitsgerichten; insbesondere bei der Klärung von Streitigkeiten zu dem Thema Beschäftigungsverbot während der Schwangerschaft und während der Stillzeit. 

Darüber hinaus ist uns daran gelegen, die Praxen präventiv durch eine gute, transparente und für beide Parteien positive Arbeitsvertragsgestaltung auf den Schwangerschaftsfall vorzubereiten um Rechtsstreitigkeiten präventiv entgegenzuwirken. 

 

Für den Arbeitgeber

  • Muss ich den Arbeitsplatz umgestalten oder kann ich die angestellte, schwangere Zahnärztin voll ins Beschäftigungsverbot schicken? Gibt es ein Teil-Beschäftigungsverbot? 

  • Entstehen während der Zeit des Beschäftigungsverbots Urlaubsansprüche? Wie und wann kann bzw. muss ich diese kürzen? Kann ich die Entstehung ggf. vertraglich ausschließen oder einen Verzicht erwirken?

  • Wer übernimmt die Kosten der Gehaltsfortzahlung, wenn die Zahnärztin ins Beschäftigungsverbot geschickt wird?

  • Wie wirkt sich das Beschäftigungsverbot auf das Budget der KZV aus?

  • Was muss ich als Arbeitgeber tun, um die Übernahme dieser Kosten zu gewährleisten?

 

Für die angestellte Zahnärtzin

  • Muss der Arbeitgeber mich ins Berufsverbot schicken oder kann er verlangen, dass ich Elternzeit beantrage? Darf er mich während der Schwangerschaft im BV kündigen?

  • Darf der Arbeitgeber mich, als angestellte Zahnärztin, während der Stillzeit kündigen? 

  • Sind Umsatzbeteiligungen/ Provisionen während des Beschäftigungsverbots weiterzuzahlen?

  • Bin ich als angestellte Zahnärztin verpflichtet regelmäßig eine Stillbescheinigung vorzulegen?

  • Ist die Stillzeit oder die damit einhergehende U2-Umlage zeitlich befristet? Was passiert, wenn ich mein Kind länger als 12 Monate stillen möchte? 

  • Was passiert, wenn ich während des BV erkranke und arbeitsunfähig bin?

Ansprechpartner

Kanzlei WHG Landau 286(SR507628-evoto_(2)).jpg

Dr. Michael Heintz

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kanzlei WHG Landau 210(SR507543-evoto_(2)).jpg

Alexandra König LL.M.

Fachanwältin für Arbeitsrecht

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Julia Johannsmann

Rechtsreferendarin

Informationen & Leistungen im Detail

Die Rückkehr zum unbestreitbaren Stillbeschäftigungsverbot? 

Bei zahnärztlichen sowie tierärztlichen Arbeitgebern bestehen große Unsicherheiten hinsichtlich der Entscheidung des Arbeitgebers, ob eine sog. unverantwortbare Gefährdung von dem Arbeitsplatz einer stillenden Arbeitnehmerin ausgeht. Diese Entscheidung hat Einfluss darauf, ob die Mitarbeiterin trotz des Stillens ihre reguläre Arbeit wiederaufnehmen kann, der Arbeitsplatz umgestaltet werden muss oder in letzter Konsequenz ein Stillbeschäftigungsverbot auszusprechen ist. 

 

Geschürt wird diese Unsicherheit durch ein Arbeitspapier sog. „Arbeitshilfe Gefährdungsbeurteilung Stillzeit“ eines Ad-hoc-Arbeitskreises Stillschutz aus Baden-Württemberg. Ausweislich dessen liege eine unverantwortbare Gefährdung lediglich dann vor, wenn mit Amalgam gearbeitet wird, sodass eine Weiterarbeit der stillenden Mutter problemlos möglich sei, sofern das Legen von Amalgam in ihrer Tätigkeit ausgeschlossen wird. Bis dieser Ad-hoc-Arbeitskreis tätig wurde, war die Rechtslage klar: Solange die Arbeitnehmerin ihr Kind stillt, darf sie die zahnärztlichen / tierärztlichen Tätigkeiten nicht vornehmen. Es war notwendigerweise ein Beschäftigungsverbot auszusprechen, welches sich auf den gesamten Zeitraum des Stillens erstreckt.

Das Empfehlungspapier des Ad-hoc-Arbeitskreises fußt auf der politischen Intention des Landes Baden-Württemberg mit dem Ziel, die finanziellen Risiken der Stillzeit auf die Privatwirtschaft zu verlagern. Das Ministerium hat es sich zum Ziel gemacht die Krankenkassen zu „entlasten“. Diese Entlastung muss jemand zahlen. Mit dem Ansinnen des Landes Baden-Württemberg, das StillBV abzuschaffen, wurden und werden viele Arbeitnehmerinnen zu Unrecht in die Elternzeit gedrängt. So wurde das wirtschaftliche Risiko auf die stillende Mutter bzw. vielmehr den zahnärztlichen Arbeitgeber verlagert, der im Zweifel die stillende Mutter in der Praxis irgendwie zu beschäftigen hat, sofern sie arbeiten kann und will. Die Urheber dieser Strategie gehen davon aus, dass die Zahnärztin aber vielmehr Elternzeit beantragt und dadurch deutlich weniger Geld vom Staat bezieht als beim Stillbeschäftigungsverbot oder stillend weiterarbeitet. In letzterem Fall müssen die Arbeitgeber anerkanntermaßen den Mutterschutzlohn in voller Höhe weiterzuzahlen, d.h. inklusive einer Umsatzbeteiligung – sofern vereinbart –, unabhängig von der Höhe des tatsächlich erzielten Umsatzes der Zahnärztin, was schlussendlich für viele zahnärztliche Arbeitgeber ein Ärgernis bedeutet. Der Arbeitgeber hingegen kann seine stillende Mitarbeiterin nur sehr eingeschränkt einsetzen und muss regelmäßige Stillpausen ermöglichen. Die stillende Mutter hat erheblichen Aufwand, die Stillzeit und die Arbeitszeitplanung unter einen Hut zu bekommen. Im Übrigen entstehen während des Beschäftigungsverbots Urlaubsansprüche der Arbeitnehmerin, welche nicht, auch nicht anteilig – wie bei der Elternzeit – gekürzt werden können. Die Kosten hierfür werden nicht von der U2-Umlage getragen, sondern verbleiben als finanzieller Schaden beim Arbeitgeber.

Die Intention des Landes Baden-Württemberg, dem StillBV den Kampf anzusagen, zeigt sich ganz deutlich daran, dass die Gefährdungsbeurteilung des Landes Baden-Württemberg ganz unten bei den „erforderlichen Maßnahmen“ gar kein Kästchen mehr vorsieht für den Ausspruch eines Stillbeschäftigungsverbots, obschon in einer Vielzahl von Fällen ein Beschäftigungsverbot unumgänglich ist. Dies zeigt – nach unserem Dafürhalten in sehr unseriöser Weise – wie sehr die zahnärztlichen Arbeitgeber dazu gedrängt werden, das StillBV abzulehnen. 

 

Anders beurteilen die übrigen LZÄKn sowie die BZÄK die Thematik. Auch bei den Krankenkassen ist das Stillbeschäftigungsverbot völlig unproblematisch anerkannt.

Der Arbeitsschutz, worunter auch das Thema des Ausspruchs des StillBV zählt, ist Ländersache. Daher bestehen keine bundeseinheitlichen Richtlinien zum Arbeitsschutz. Nachdem nun Monate und Jahre unklar war, welche Vorgaben maßgeblich sind und ob die Arbeit einer Zahnärztin am Patienten überhaupt noch möglich sein soll, wurde durch das Arbeitsgericht Hagen nun eine nach unserem Dafürhalten längst überfällige und wegweisende Entscheidung getroffen, welche dem Ad-hoc-Arbeitskreis und den Vorgaben des Landes BaWü endlich eine klare Absage erteilte. 

Das zugrunde liegende Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 11.09.2024 – 2 Ga 22/24 erging in einem einstweiligen Verfügungsverfahren. Ein solches ist dadurch gekennzeichnet, dass der Verfügungskläger eine Eilbedürftigkeit glaubhaft machen muss, d.h. die Tatsachen vorbringen, weshalb es nicht zumutbar ist, ein Hauptsachverfahren abzuwarten. Die Verfahren zeichnen sich zudem dadurch aus, dass keine Beweisaufnahme durchgeführt wird und dass die Entscheidung des Gerichts anhand der vorgelegten Schriftsätze der Parteien ergeht. 

 

In dem vorstehenden Urteil statuiert das Gericht, dass die Vorgaben und Richtlinien der Bundeszahnärztekammer einschlägig sind für die Beantwortung der Frage nach der unverantwortbaren Gefährdung und nicht etwa die des Landes Baden-Württemberg. So heißt es:

„Ausweislich der Stellungnahme der Bundeszahnärztekammer von März 2022 (vgl. Bl. 15-23 der Akte) Seite 6 liegt das arbeitsplatz- bzw. tätigkeitsbedingte Infektionsrisiko einer stillenden Zahnärztin und ihres zu stillenden Kindes in der Zahnarztpraxis üblicher Weise über demjenigen der Allgemeinbevölkerung. Es bestehen auch verschiedene Übertragungswege von potentiellen Infektionen, die mit den Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen einer stillenden Zahnärztin in unmittelbaren Bezug stehen. Die typischerweise mit dem Beruf der Zahnärztin verbundenen Tätigkeiten in einer Zahnarztpraxis bedingen dabei nicht nur einen häufigeren Umgang mit Körperflüssigkeiten wie Blut oder Speichel. Die zahnärztliche Behandlung am Behandlungsstuhl erfordert auch einen engen Kontakt zu den Patientinnen und Patienten (weniger als 1,5m). Zudem verursachen zahnärztliche Tätigkeiten regelmäßig einen am Behandlungsstuhl messbar erhöhten Aerosolausstoß. Auch potentiell kontaminierte, zahnärztliche Instrumente beinhalten ein erhöhtes Infektionsrisiko für die stillende Zahnärztin. Dies nicht zuletzt, weil das zahnärztliche Instrumentarium dazu geeignet ist, Stich- oder Schnittverletzungen zu verursachen.“

 

Etwaige Schutzmaßnahmen des Arbeitgebers, die sich darauf beziehen, dass die Zahnärztin Latex-Handschuhe oder eine FFP2-Schutzmaske tragen soll, um das Risiko der Übertragung von diversen Krankheitserregern zu verhindern, sind nach Auffassung der BZÄK in der Regel nicht geeignet, um die vorstehenden Risikofaktoren auszumerzen.

 

In den aktuell von uns verhandelten Fällen gehen alle Gerichte davon aus, dass jede Praxis eigenständig zu begutachten ist. Im Streitfall wird ein Gutachten durch einen Betriebsmediziner in Auftrag gegeben, um zu prüfen, ob die individuellen Gegebenheiten der einzelnen Praxis eine Weiterarbeit ermöglichen und respektive welche Maßnahmen im Sinne von § 13 Abs. 1 MuSchG getroffen werden müssen. Hierdurch entstehen zum Teil jahrelange Unsicherheiten für Arbeitgeber und Arbeitnehmerin und im Zweifel stillt die Arbeitnehmerin ihr Kind in dem Zeitpunkt einer gerichtlichen Entscheidung gar nicht mehr.

 

Das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen ist insofern wegweisend, als dass nun endlich Klarheit dahingehend herrscht, dass die Vorgaben der BZÄK maßgebend für die arbeitgeberseitige Entscheidung für den Ausspruch des StillBV sind, und zudem der Berücksichtigung des Empfehlungspapiers des Ad-hoc-Arbeitskreis – wenigstens abseits von Baden-Württemberg – eine Absage erteilt wurde. Wenn die Arbeitgeber sich darauf stützen, dass sie das StillBV aussprechen würden, es aber vor dem Hintergrund der Empfehlungen aus BaWü schlicht nicht könnten, ohne sich einem erheblichen Regressrisiko der Krankenkasse oder gar einer Strafbarkeit ausgesetzt zu sehen, kann ihnen künftig mit den Erwägungen aus dem Urteil begegnet werden. Zudem ist zu erwarten, dass sich andere Gerichte im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahren dem Arbeitsgericht Hagen anschließen und den Ausspruch des StillBV als obligatorisch ansehen. 

 

Fazit:

Die Betrachtung des Einzelfalls bleibt weiterhin unerlässlich, da der Ausspruch des betrieblichen Stillbeschäftigungsverbots stets auf individuellen Gegebenheiten sowohl der Praxis als auch der stillenden Mutter beruht. Dies gilt sowohl für die tatsächlichen Grundlagen als auch die Beratung hinsichtlich der sich ergebenden rechtlichen Konsequenzen, zu denen wir Sie gerne beraten. Ein zügiges Vorgehen seitens der Arbeitnehmerin ist dringend erforderlich, insbesondere drohen Ausschlussfristen zu verstreichen oder der Verfügungsgrund verloren zu gehen. 

Update, März 2022

Die Bundeszahnärztekammer positionierte sich im März 2022 – lang ersehnt – zu der Thematik des Stillbeschäftigungsverbots für angestellte Zahnärztinnen. In deren Stellungnahme fordert die BZK eine bundeseinheitliche Linie zu der Frage, ob, unter welchen Voraussetzungen und inwieweit die Arbeit am Patienten für stillende Zahnärztinnen möglich ist. Sie positionierte sich außerdem zu der vielkritisierten Linie des Landes Ba-Wü und sieht eine unverantwortbare Gefährdung für stillende Zahnärztinnen – im Gegensatz zu Ba-Wü – als dem Grunde nach gegeben an. Damit wäre die gesetzliche Verpflichtung der zahnärztlichen Arbeitgeber, gegenüber stillenden Zahnärztinnen ein Stillbeschäftigungsverbot auszusprechen, de facto bejaht und durch die BZK empfohlen.

Risiko Nadelstich – Blutübertragbaren Infektionen wirksam vorbeugen

Update, Stand Juli 2021

Wir beraten ebenfalls zu der durch das Land Baden-Württemberg erstellten „Arbeitshilfe Gefährdungsbeurteilung Stillzeit für beschäftigte stillende Frauen in zahnmedizinischen Praxen“, der sogenannten „Mustergefährdungsbeurteilung des Landes Baden-Würtemmberg für stillende Zahnärztinnen“ sowie den damit einhergehenden Fragen und rechtlichen Problemen und bieten Lösungsvorschläge für die Arbeitsvertragsparteien an. Die hierzu kursierenden Gerüchte scheinen die Arbeitgeber daran zweifeln zu lassen, dass die U2-Umlage durch die Umlagekasse für Mütter im Still-BV weiterhin gezahlt werden wird. Auch die stillenden Zahnärztinnen werden erheblich verunsichert durch die Neuregelung. Daher ist zu klären, inwieweit die „Arbeitshilfe“ gilt und was die konkreten Voraussetzungen für das – nach wie vor mögliche – Still-BV sind.

Ist eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses während der Stillzeit bzw. des Stillbeschäftigungsverbots zulässig und rechtswirksam?

I. Problemstellung

Zahnärztinnen wie auch Tierärztinnen – aber auch Frauen in anderen Berufsgruppen – befinden sich während der Zeit in der sie ihre Kinder stillen oft in einem Stillbeschäftigungsverbot nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 MuSchG. Das MuSchG hält in § 17 MuSchG einen Sonderkündigungsschutztatbestand bereit, welcher jedoch vier Monate nach der Geburt des Kindes endet. Dies führt bei zahnärztlichen oder tierärztlichen Arbeitgebern nicht selten zu dem Irrtum, dass die Arbeitsverhältnisse der stillenden Mütter im fünften Monat nach Geburt gekündigt werden können. Diese Rechtsauffassung ist evident falsch, denn lediglich der Sonderkündigungsschutz nach § 17 MuSchG endet nach den vier Monaten. 

Doch bedeutet dies, dass die stillende Arbeitnehmerin einfach so gekündigt werden kann? Welchen Kündigungsschutz genießen stillende Mütter? Wie sich die Rechtslage diesbezüglich darstellt, wird im Folgenden beleuchtet.

 

II. Rechtliche Grundlagen

1. Kündigungsschutz nach dem KSchG

Eine Kündigung kann lediglich aus drei Gründen erfolgen: betrieblicher, persönlicher und verhaltensbedingter Art. Diese können allesamt grundsätzlich nicht vorliegen, wenn der stillenden Mutter gegenüber ein Stillbeschäftigungsverbot nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 MuSchG ausgesprochen worden ist. Verhaltensbedingte Gründe scheiden per se aus, denn die Arbeitnehmerin ist nicht an ihrem Arbeitsplatz tätig und ist demnach nicht in der Lage, eine Grundlage hierfür zu schaffen. Ebenso verhält es sich mit personenbedingten Gründen. Im Ergebnis wäre der Grund dementsprechend vorgeschoben. Der wahre Grund dürfte in derartigen Konstellationen das Stillen des Kindes bzw. die Mutterschaft der Arbeitnehmerin sein.

Hinsichtlich etwaiger arbeitgeberseitig benannter betrieblicher Gründe ist zu sagen, dass der Arbeitgeber aus den voranstehenden Erwägungen verpflichtet ist, den Arbeitsplatz der Arbeitnehmerin vorzuhalten. Der Arbeitnehmerin muss bei ihrer Rückkehr der gleiche oder wenigstens ein vergleichbarer Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden. Eine Umstrukturierung des Betriebes, in dessen Folge genau dieser Arbeitsplatz wegfällt, dürfte in Hinblick auf das AGG (Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz) nicht zu rechtfertigen sein. 

 

 

 

2. Kündigungsschutz nach dem AGG

Das AGG verfolgt unter anderem den Zweck, eine Benachteiligung wegen des Geschlechts zu verhindern oder zu beseitigen, § 1 AGG. Die Anwendbarkeit der Vorschriften des AGG auf Kündigungssachverhalte ergibt sich aus europarechtlichen Vorgaben sowie aus § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG, welcher normiert, dass Benachteiligungen aus einem in § 1 AGG genannten Grund, insbesondere bei Maßnahmen bei der Beendigung von Beschäftigungsverhältnissen, unzulässig sind.

Der Arbeitgeber darf Beschäftigte gemäß § 7 Abs. 1 AGG nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Merkmals benachteiligen. Zu diesen Merkmalen gehört das Geschlecht und Schwangerschaft, was sich explizit aus dem Gesetz ergibt, § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG (beispielsweise BAG, Urteil vom 12.12.2013 - 8 AZR 838/12).

Die vorstehenden Gründe sprechen bereits dafür, dass die stillende Mutter aufgrund dessen gekündigt wurde, dass sie stillt, mithin aufgrund ihrer Mutterschaft und demzufolge aufgrund eines sog. verbotenen Merkmales im Sinne von § 1 AGG. Die stillende Mutter erfährt wegen ihres Geschlechts und der damit im Zusammenhang stehenden Mutterschaft eine benachteiligende Behandlung, indem sie eine Kündigung erhält, weshalb diese im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern der Beklagten benachteiligt wird.

 

III. Ergebnis

Die Kündigung einer stillenden Arbeitnehmerin ist dementsprechend wohl aus den vorstehenden Gründen unwirksam, da sie wohl gegen die Vorschriften aus dem KSchG verstoßen würde und im Übrigen eine Diskriminierung im Sinne des AGG darstellt. 

Darüber hinaus müsste der Arbeitgeber bei einer betriebsbedingten Kündigung eine Sozialauswahl durchführen, d.h. er kann nicht gezielt die stillende Mutter kündigen, sondern muss eine Auswahl durchführen, welcher Arbeitnehmer am wenigstens schutzwürdig ist. Dementsprechend spricht sehr vieles Dafür, dass eine Kündigung unwirksam sein wird. 

 

IV. Schadensersatz

Darüber hinaus hat eine Kündigung der stillenden Mutter nach unserem Dafürhalten einen Schadensersatzanspruch nach dem AGG zur Folge. Der Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG setzt kein Verschulden voraus (BAG, Urteil vom 22.01.2009 – 8 AZR 906/07 – NZA 2009, 945) und auch keine Benachteiligungsabsicht des Arbeitgebers. Eine bloße Mitursächlichkeit der Mutterschaft für die Kündigungsentscheidung genügt (vgl. BAG, Urteil vom 12.12.2013 – 8 AZR 838/12). Hiervon ausgehend dürfte für die Kündigungsentscheidung des Arbeitgebers eine Mitursächlichkeit des Geschlechts und der Mutterschaft der gekündigten Arbeitnehmerin keineswegs ausgeschlossen sein.

Die Höhe der Entschädigung ist unter Berücksichtigung sämtlicher Einzelfallumstände zu bestimmen und liegt in der Regel bei 1-3 Bruttomonatsgehältern nach § 15 Abs. 2 AGG und errechnet sich parallel zu dem Maßstab von § 13 MuSchG. Da der Anspruch steuerfrei ist, ist er brutto wie netto auszuzahlen und abzurechnen.

Kündigt der Arbeitgeber daher einer stillenden Mutter ist nicht nur die Kündigung mit hoher Wahrscheinlichkeit unwirksam, sondern der Arbeitgeber läuft auch Gefahr, sich einem Diskriminierungsschadensersatzanspruch auszusetzen. 

Umsatzbeteiligung im Krankheitsfall und während des Urlaubs

I. Problemstellung

Bei der Vergütung von angestellten Zahnärzten, Tierärzten, Rechtsanwälten oder anderen Freiberuflern ist es üblich, dass diese einen variablen Bestandteil – oftmals in Form einer Umsatzbeteiligung – aufweist. Ein oft verwendetes, dynamisches Umsatzbeteiligungsmodell kann sich beispielsweise derart gestalten, dass neben der Grundvergütung ab einem gewissen Sockelbetrag eine Umsatzbeteiligung gezahlt wird. In derartigen Vergütungsmodellen stellt sich die Frage, ob die Zahlung dieser Umsatzbeteiligung auch im Krankheits- oder Urlaubsfall zu leisten ist. 

 

Maßgeblich für die Beantwortung dieser Frage ist primär die vertragliche Regelung, da die Anspruchsgrundlage für die Umsatzbeteiligung die vertragliche Abrede ist. Daher ist die Wirksamkeit und die Auslegung der arbeitsvertraglichen Klauseln entscheidend. Hierbei kommt es auf viele arbeitsvertragliche Faktoren an. Jedenfalls bei einer monatlichen Vereinbarung – Ausnahmen möglich – gelten die folgenden Grundsätze: 

 

II. Grundsätze

Bei monatlichen Umsatzbeteiligungsmodellen handelt es sich laut der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht um Sonderzahlungen, sondern um regelmäßiges Entgelt aus dem Arbeitsvertrag und folglich um Entgelt, welches auch während der Krankheit und während der Zeiten des Erholungsurlaubs weiterzuzahlen ist (BAG, Urteil vom 08.09.1998 – 9 AZR 223/97).

 

Im Krankheitsfall wird entsprechend § 4 Entgeltfortzahlungsgesetz das durchschnittliche Gehalt für den Krankheitszeitraum zugrunde gelegt. Ausgangspunkt hierfür muss auch für Fälle einer variablen Vergütung in Gestalt einer Umsatzbeteiligung der Verdienst der Vergangenheit sein. Der heranzuziehende Referenzzeitraum unterliegt dem Ermessen des Gerichts nach § 287 ZPO. Laut dem LAG Mainz (LAG Rheinland-Pfalz, 05.09.2007 – 8 Sa 165/07) – und insoweit schließen sich die meisten Landesarbeitsgerichte dieser Rechtsprechung an – sind dies die letzten 12 Wochen vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit. Demzufolge ist das durchschnittliche Entgelt einschließlich der zu zahlenden Umsatzbeteiligung für diesen Zeitraum zugrunde zu legen. 

 

Gleiches gilt auch für die Zeiten von Urlaub nach § 11 Abs. 1 S. 1 Bundesurlaubsgesetz. Hierbei ist ausweislich des eindeutigen Gesetzeswortlauts zur Berechnung des Urlaubsentgelts der durchschnittliche Verdienst der letzten dreizehn Wochen vor Beginn des Urlaubs zugrunde zu legen. Außer Betracht bleiben bei dieser Berechnungsmethode nach § 11 Abs. 1 S. 3 BUrlG diejenigen Verdienstkürzungen in Form von unverschuldeter Arbeitsversäumnis, worunter auch unter anderem die Krankheit fällt. Der Gesetzgeber stellt dadurch klar, dass zufällige Ereignisse außerhalb der Sphäre von der Möglichkeit der Einflussnahme des Arbeitnehmers unberücksichtigt bleiben sollen und damit auch beispielsweise ein Mindestumsatz, welcher hypothetisch generiert worden wäre. 

 

Eine monatliche zu zahlende Umsatzbeteiligung fällt damit in das Bruttomonatsentgelt, welches in den Bemessungszeiträumen für Zeiten des Erholungsurlaubs und Krankheit Berücksichtigung zu finden hat. Hinsichtlich anders lautender Abreden ist eine individuelle Prüfung erforderlich, ob und inwieweit diese unter die vorgenannten Grundsätze der Rechtsprechung fallen oder eine anderweitige, wirksame Vereinbarung getroffen wurde. 

 

III. Ausschlusstatbestand wegen Verfristung 

Der Anspruch auf die rückwirkende Zahlung der Umsatzbeteiligung kann jedoch aufgrund einer arbeitsvertraglichen Ausschlussklausel ausgeschlossen sein. Solche Klauseln beziehen sich in der Regel auf Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die innerhalb von (regelmäßig) drei Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht werden müssen. Die Fälligkeit der Zahlung der Umsatzbeteiligung ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag. Regelmäßig tritt die Fälligkeit mit Ablauf des Abrechnungsmonats oder dem darauffolgenden ein. Dies dürfte aber je nach dem variieren, welche Art Umsatzbeteiligung gezahlt wird, d.h. ob diese monatliche, quartalsweise oder mit einer anderen Bestimmung gezahlt wird.

Derartige Klauseln sind sehr oft rechtsunwirksam. Das Ergebnis kann im Einzelfall variieren, sodass eine konkrete rechtliche Überprüfung, insbesondere anhand des Transparenzgebots des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 BGB, zur Beurteilung erforderlich ist.

Unter anderem kann sich eine Unwirksamkeit einer Ausschlussklausel daraus ergeben, wenn eine Verfallfrist nicht auf die Fälligkeit eines Anspruchs abstellt, sondern auf einen feststehenden Zeitpunkt – wie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Darüber hinaus müssen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Ausschlussfristen für beide Parteien gleichermaßen gelten und eine Mindestfrist von drei Monaten vorsehen. Zudem ist der Ausschluss sämtlicher Ansprüche, die im Ergebnis dazu führen, dass der Mindestlohn unter anderem nach dem MiLoG unterlaufen wird, ausgeschlossen (BAG, Urteil vom 24.08.2016 – 5 AZR 703/15).

Ist die Ausschlussklausel unwirksam, greifen die allgemeinen Regelungen der Verjährung nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB, sodass Beträge rückwirkend für drei Jahre geltend gemacht werden können. Bei einer Geltendmachung im Jahr 2024 bezieht sich dies demnach auf Beträge von nicht gezahlter Umsatzbeteiligung im Krankheitsfall und Zeiten von Erholungsurlaub für 2023, 2022 und 2021.

Für den Fall, dass sich die Ausschlussfrist als wirksam erweist, ist Eile bei der Geltendmachung geboten! Wird der Zahlungsanspruch nicht innerhalb der vereinbarten Frist gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht, ist dieser nicht mehr durchsetzbar, wenngleich gilt, dass die Ausschlussfrist vom Arbeitgeber einzuwenden ist. 

 

IV. Gestaltung von Klauseln 

Grundsätzlich gelten die vorstehenden Erwägungen auch für andere vereinbarte Modalitäten als die monatliche zu zahlende Umsatzbeteiligung. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang, ob mit einer Zahlung eine auf einen bestimmten Zeitabschnitt entfallende Arbeitsleistung vergütet wird. Welcher Zeitabschnitt diesbezüglich konkret vereinbart ist, ist dabei unerheblich. So kann beispielsweise eine jährliche Abrechnung oder ein sonstiger Abrechnungsrhythmus vereinbart werden, wenn sich dies aus Praktikabilitätsgründen anbietet zum Beispiel wegen Schwankungen von Zahlungseingängen.

 

Hierbei gilt es jedoch eine wirksame Klausel zu gestalten, welche den Interessen der Vertragsparteien gerecht wird. Aufgrund der Rechtsprechung zu dieser höchst komplexen Materie ist hierbei die Beratung durch eine Fachanwaltskanzlei unvermeidbar. 

 

V. Fazit und Handlungsempfehlung

Nach alledem ist zu statuieren, dass grundsätzlich ein Anspruch auf die Zahlung der Umsatzbeteiligung auch während Zeiten von Krankheit und Erholungsurlaub besteht. Im Einzelfall kann dieser Anspruch jedoch aufgrund diverser Gründe ausgeschlossen sein oder durch wirksame arbeitsvertragliche Grundlagen eine andere Vereinbarung gestaltet werden. 

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